Kategorie: Gewalt gegen FLINT-Personen

Tag 16 – Polizeigewalt gegen Queers in Polen

Polen 2020 – Polizeigewalt gegen LGBTINQ

Repressionen gegen die LGBTINQ-Communities sind Alltag in Polen. Ein massiver Polizeiübergriff geschah am 7.8.2020 in Warschau. Anlass war eine Solidaritätskundgebung für die Aktivistin Margot S. Sie wurde an diesem Tag für den Angriff auf einen mit homophoben Slogans gespickten Propagandabus der Pro Life Foundation und für eine Aktion, auf der sie an Warschaus nationalen und religiösen Monumenten die Rainbowflag installiert hatte, zu einer Haftstrafe verurteilt.

Während den Protesten kam es zu insgesamt 48 willkürlichen Festnahmen. Parlamentsangehörige, die aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der Polizei als unabhängige Beobachtende vor Ort waren, berichteten von gewaltsamen Übergriffen der Polizei auf die Protestierenden. Leute wurden angegriffen, zu Boden geworfen und teils so hart angegangen, dass sie Verletzungen erlitten. „Sie nahmen ihnen die Würde oder wie sonst kann man es sehen, wenn Polizisten ihren Stiefel auf den Kopf von jemanden stellen, der am Boden liegt?“ beschrieb es eine Zeugin.

Vielen wurde nach der Festnahme der anwaltliche Beistand verweigert. Dies dokumentierte eine Gruppe von Parlamentarier*innen, die erst durch ihre Präsenz vor und auf den Polizeiwachen dafür sorgten, dass die Gefangenen rechtliche Unterstützung bekamen. Eine Zeugin, die seit Jahrzehnten in der polnischen LGBTIN Bewegung aktiv ist, bewertet den 7.8.20 als bisher schwersten Polizeiübergriff auf eine friedliche Demonstration, mit einem Ausmaß an Gewalt, den das post-sowjetische Polen so noch nicht erlebt hätte.

Hier findet Ihr einen Bericht in voller Länge in englischer Sprache, dazu noch eine weitere Quelle.

Autorin: Sabine Grimm

Tag 15: Hexenverfolgung

Im März 1599,  in der ersten großen Hinrichtungswelle von Frauen, die in Freiburg als Hexen bezichtigt wurden, standen auch drei Frauen der Oberschicht unter Anklage. Da sie sogar unter der Folter nichts gestanden hatten, musste man sie aus dem Gefängnis freilassen. Morgens in aller Frühe, um 5 Uhr, entließ man als erste Catharina Stadellmenin aus dem Predigerturm. Allerdings nur zum Schein. Gegen die gültige Rechtspraxis wurde sie „wiederum fänglich ergriffen, von der Erde aufgehoben“ und in den Christoffelsturm gebracht. Es waren Stadtknechte, die Catharina freiließen, um ihr aufzulauern und sie in den furchtbarsten Folterturm der Stadt zu bringen. Dort erfolterte man von allen drei Frauen das Geständnis. Für mich erfasst diese Freilassung zum Schein die ganze Grausamkeit der Hexenprozesse. Ich kann mir genau vorstellen, wie sie im Morgengrauen aus dem Turm geworfen wurde, wie sie aufstand, ihre Kleider raffte, aufatmete. Ihr Haus in der Wasserstraße war ganz in der Nähe. Als man sie wieder ergriff, muss es für sie der nackte Schrecken gewesen sein.

Freiburg gehörte in Südwestdeutschland, wo die Hexenverfolgung zwischen 1570 und 1640 besonders wütete, nicht einmal zu den schlimmsten Orten. In dieser Zeit wurden mindestens 1.100 Menschen als Hexen ermordet. Etwa 75% von ihnen waren Frauen, die meisten von ihnen Arme.

Auch in Freiburg folgte man der Zeit und hielt sich an das, was die Wissenschaft zu den Hexen vorlegte: Verbündete des Teufels, um die Menschheit in den ewigen Untergrund zu treiben. Eine klassische Verschwörungstheorie. In der Freiburger Uni wurde sie gelehrt und diskutiert. Von dort erbat sich der Stadtrat Rechtsgutachten, wenn ein Prozess schwierig war. Zum Beispiel, wenn eine Angeklagte nicht gestehen wollte, aber von vielen Zeugen beschuldigt wurde. Stadtknechte sind heute Polizei.

Autorin: Birgit Heidtke

 

Tag 14: Henriette Arendt

Ein Mittel gegen Polizeigewalt gegen Frauen? – Der Einsatz der ersten Frau im deutschen Polizeidienst

1903 trat die Krankenschwester Henriette Arendt in Stuttgart als erste Frau in den Polizeidienst ein. Damit wurde eine Forderung der Frauenbewegung endlich erfüllt: Frauen im Polizeidienst, um weibliche Festgenommene vor Übergriffen der Polizeibeamten zu schützen.

Henriette Arendts Arbeitsbereich war klar abgegrenzt. Als Polizeiassistentin hatte sie bei Zwangsuntersuchungen polizeilich aufgegriffener Frauen zu assistieren, die der Prostitution bzw. der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten bezichtigt wurden. Die Betreuung der Frauen, die durch die Sittenpolizei aufgegriffen wurden, lag ebenfalls in ihrem Zuständigkeitsbereich. Mehr als einmal nahm sie entlassene Gefängnisinsassinnen bei sich zu Hause auf, die nicht wussten, wohin sie hätten gehen können.

Zunehmend engagierte sich Henriette Arendt in der Kinderfürsorge. Eine Tätigkeit, die laut Dienstvertrag nicht zu ihren Aufgaben zählte. Immer wieder geriet sie deshalb in Schwierigkeiten – sei es durch Konflikte mit Eltern oder mit zuständigen Behörden. Öffentlich prangerte sie Missstände an, hielt Vorträge und übte Kritik am Umgang der städtischen Behörden mit verwahrlosten Kindern und hilfsbedürftigen Frauen. Schließlich eskalierte der Konflikt, 1908 wurde ihr die Kündigung nahegelegt, die sie noch im selben Jahr einreichte. Bis zu ihrem frühen Tod 1922 engagierte sich Henriette Arendt für hilfsbedürftige Kinder und setzte sich gegen Kinderhandel in Europa ein. 

Neben Henriette Arendt gab es weitere Frauen, die in verschiedenen Städten im Polizeidienst eingesetzt wurden. Die erste weibliche Polizei, die sog. „Frauenwohlfahrtspolizei“, wurde in den 1920er Jahren im britisch besetzten Köln eingeführt, es folgten weitere Formen in Baden und Sachsen. Doch sie blieben Sondereinheiten. 

Erst in den 1970er Jahren wird die weibliche Kriminalpolizei aufgelöst und die Beamtinnen auf allgemeine Kommissariate verteilt. Erst seit dann werden Frauen zur Schutzpolizei zugelassen. Heute liegt der Frauenanteil in Bund und Ländern laut Statistischem Bundesamt bei 29,3%.

Zum Reinhören

Hier könnt ihr euch einen Ausschnitt aus Arendts Schrift „Erlebnisse einer Polizeiassistentin“ anhören. 

Und wer ein kleines bisschen Zeit hat, kann sich hier in der WDR-Mediathek eine Folge „Zeitzeichen“ zu Henriette Arendt und ihrer Arbeit anhören.

 

Zum Weiterlesen

Arendt, Henriette: Erlebnisse einer Polizeiassistentin, München 1910.

Blum, Bettina: „Frauenwohlfahrtspolizei“ – „Emma Peels“ – „Winkermiezen“. Frauen in der deutschen Polizei 1903-1970, in: SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (2/2012), S. 74-87.

Wolff, Kerstin: „Es gibt nur eine Moral!“ – Die bürgerliche Frauenbewegung und ihre Debatten um Prostitution (1880 bis 1933), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv, 2018.

 

Tag 10: Louise Aston

Louise Aston (1814-1871) – „…die Polizei weist aus, nur um der Ausweisung willen.“

Autorin: Dr. Jenny Warnecke

Louise Hoche heiratete mit 20 Jahren den Dampfmaschinen-Fabrikanten Samuel Aston. Nach der Geburt ihrer drei Kinder ließ sie sich scheiden, weil sie die Doppelmoral ihres Gatten nicht mittragen wollte, der vier Kinder von weiteren Frauen anerkannte. Aston zog 1846 nach Berlin, wo sie Schriftstellerin wurde. Die Sorgerechtsfrage hing nach ihrer zweiten Scheidung wie ein Damoklesschwert über ihr. Der Chefpräsident des Oberlandesgericht in Magdeburg von Gerlach entzog es ihr für Jenny, das einzige Kind, das die Kleinkindzeit überlebt hatte.

„Freiem Leben, freiem Lieben / Bin ich immer treu geblieben“ erhob die Schriftstellerin Louise Aston, die manchmal Hosen trug und öffentlich Zigarren rauchte im Gedicht zum „Lebensmotto“ und sorgte damit schon vor den revolutionären Ereignissen von 1848/49 für moralische Entrüstung. Sie ergänzte: „Mag der Thron in Flammen glühn!“, damit war der Skandal perfekt. Doch schon bevor sie eine Zeile veröffentlicht hatte, wurde sie wegen unmoralischen Zuschreibungen und Denunziationen 1846 aus Berlin ausgewiesen. Es folgten Ausweisungen aus mindestens 14 Städten in Europa. Louise Aston reiste mit falschen Pässen oder als Student verkleidet nach Berlin ein. Sie verkehrte im Kreis der „Berliner Freien“ um Bruno Bauer und Max Stirner, flocht Proudhons revolutionäre Ideen in ihre Schriften ein und verfolgte die europäischen Umbrüche mit Begeisterung. Als Briefbotin für die Demokraten reiste sie quer durch Europa.
Ihre Gedichte und ihre Zeitschrift „Der Freischärler“ handeln von freier Liebe, politischem Umsturz und sozialer Revolution. In ihren Romanen erschrieb sie sich mit fiktiven Figuren neue Räume in der bestehenden Enge der bürgerlich-monarchischen Gesellschaft. In ihrer Verteidigungsschrift verwarf sie die Ehe als „unsittlich“, „weil sie zum Eigenthume macht, was nimmer Eigenthum sein kann: die freie Persönlichkeit“. Um die Zensur zu umgehen ließ sie ihre Werke an unterschiedlichen Orten drucken, auf Grund der schlechten Vernetzung der Polizeistrukturen in der Kleinstaaterei machbar.

Nach ihrem Einsatz als Krankenpflegerin für die Freischärler in Dänemark im April 1848, mischte Aston mit: Sie dichtete eine Satire auf General Wrangel, der 1848 Berliner Revolution niederschlug. Sie kritisierte die Wiedereroberung der Reaktion scharf und verabschiedete sich nach dem Verbot ihres Freischärlers und ihrer erneuten Ausweisung: „Offenbar ist die dt. Freizügigkeit blos darin zu suchen, daß man überall hingehen, aber nicht bleiben darf, wo man will! Auch gut! Ich bin an diese Freizügigkeit gewöhnt.“ Louise Aston schrieb im Exil nicht mehr, blieb aber ihren demokratischen Ansichten treu.

Tag 9: Polizeigewalt bei der Ticketkontrolle

„Freie Fahrt zu dritt“

Im Jahr 2009 in meinem Wohnort Freiburg wurde ich nachts etwa um 0.30 Uhr in einer Straßenbahn kontrolliert. Es war die letzte Straßenbahn gewesen, denn sie war überfüllt. Ich konnte einen gültigen Fahrschein vorweisen. Die leicht angetrunkenen Kontrolleure waren aber der Meinung, ich hätte diesen zu spät gelöst. Irgendwie bekam ich Panik, fühlte mich ausgeliefert – trotz der Sympathiebekundungen von vielen Fahrgästen. Ich weigerte mich, meine Personalien anzugeben – ich hatte doch einen Fahrschein! 

Daraufhin übergaben mich die Kontrollettis der Polizei, und zwar an einer Haltestelle, wo es weder Videoaufzeichnung noch ausreichende Beleuchtung gab. Zwei junge Berufsanfänger, ein Mann und eine Frau, erwarteten mich dort tatendurstig. Die Polizistin wollte mir den Rucksack entreißen, um an meine Brieftasche mit dem Personalausweis heranzukommen. Weil ich mich wegdrehte, traf sie ein Gurt im Gesicht. 

Dann sind die beiden ausgerastet, schubsten mich in das Wartehäuschen, legten mir Handschellen an und beschimpften mich. Ich fing an zu schreien, darauf öffneten sich mehrere Fenster und zwei Passanten blieben stehen. Also brachten die beiden mich in ihrem Polizeibus zur nächsten Wache, wo meine Personalien festgestellt und ich noch eine Weile mit blöden Fragen drangsaliert wurde. Anschließend ging ich noch zur Notfallambulanz im St. Josefskrankenhaus, wo mehrere schmerzhafte Hämatome festgestellt wurden. Sie gaben mir auch etwas zur Beruhigung – wenn ich mich recht erinnere.

Um den Übergriff zu verarbeiten – was nicht ganz leicht war – nahm ich mir einen Anwalt. Mit mehr als 50 Jahren hätte ich mir etwas brechen können bei der groben Behandlung. Ich konnte nicht glauben, dass ein solches Verhalten straffrei möglich sei. Aber genau das passierte dann. Die Kontrollettis sprachen sich mit den PolizistInnen ab und gaben zu Protokoll, dass die Gewalt von mir ausgegangen war. In Wahrheit waren sie zum Zeitpunkt der Gewaltausübung gar nicht mehr anwesend. Das konnte ich aber nicht beweisen.

Mein Anwalt rechnete dem Gericht vor, dass mir mit ALG II und geringfügigem Nebenverdienst täglich nur 3,57 Euro zur Verfügung stehen, um solche Ausgaben wie eine Geldstrafe zu begleichen. Der Tagessatz beträgt aber 10 Euro und ich wurde zu 40 Tagessätzen verurteilt (!) Eine Reduzierung bzw. Anpassung dieses Satzes wurde vom Amtsgericht abgelehnt mit dem Argument, ich könne ja eine mündliche Verhandlung durchführen lassen, um meine Unschuld zu beweisen.

I. Wagner, 8. November 2020

Textauszug ergänzt + geändert aus I. Wagners Essay „Freie Fahrt zu dritt“, veröffentlicht 2011, im Sammelband „Aktuelle Themen unserer Gesellschaft“, Johann-Friedrich Huffmann (Hrsg): „Soziale Gerechtigkeit in Deutschland – eine naive Utopie?“, Frieling Verlag Berlin.

Gewalt von Grenzpolizist:innen 2

Gewaltsame Pushbacks von Menschen auf der Flucht (Teil 2)

Seit dem Herbst 2020 beobachtet borderviolence.eu, dass die Polizei an der kroatischen Grenze bei illegalen Pushbacks immer brutaler vorgeht. Sie zerstören jeglichen Besitz von Geflüchteten, treten und prügeln mit Schlagstöcken brutal auf Menschen ein, die in Kroatien ankommen.
Es gibt bislang nur wenig Zeugnisse von Frauen über diese gewalttätigen Pushbacks. Eine Iranerin schilderte, wie sie im September 2020 im kroatischen Vincovci, nahe der Grenze zu Serbien, misshandelt wurde. Die herzkranke Frau brach während eines Gefangenentransports zusammen. Sie befand sich in einer Gruppe von Geflüchteten, die illegal nach Serbien zurück geschoben werden sollten. Erst als die Mitgefangenen laut riefen und an die Wände des Wagens schlugen, machte die Polizei halt. „Sie packten mich an Armen und Beinen, als wäre ich ein Müllsack“, beschrieb sie. Statt zu helfen, traten die Polizisten sie mehrmals zu Boden. Schließlich brachte man sie doch in Krankenhaus, wo sie schnell behandelt wurde. Auch dort ignorierte man ihre Bitte auf Asyl, stattdessen wurde sie schnellstens, mit dem nächsten Transport an die Grenze gebracht. Bei der Abschiebung schlug ein Polizist brutal mit geschlossener Faust auf sie ein und beschimpfte sie als Simulantin. Mit neun anderen Menschen auf der Flucht wurde sie gewaltsam zurück nach Serbien gezwungen.

 

Tag 7: Gewalt von Grenzpolizist*innen 1

Gewaltsame Pushbacks von Menschen auf der Flucht (Teil 1)

Die Außengrenzen der EU betreffen uns unmittelbar. In unserer Vorstellung aber sind sie fern wie ein anderer Kontinent und was dort alltäglich passiert, läuft unter dem Radar der Öffentlichkeit.
Menschen, die auf EU-Territorium über grüne und blaue Grenzen kommen, werden systematisch von Grenzpolizei aufgespürt und ohne Anhörung auf Asyl unter massivem Zwang über die Grenze zurück geschoben. Das ist alltägliche, rechtswidrig ausgeübte Gewalt der Grenzpolizei, z.B. in Kroatien.
Die Menschenrechtsorganisation Border Violence Monitoring Network stellt Berichte von Betroffenen online. Im Juli 2020 dokumentierte sie den illegalen Push-Back einer 30jährigen Frau aus dem Iran. Von Bosnien hatte sie mit ihren Kindern, 2 und 9 Jahre alt, auf einem langen Weg zu Fuß nachts Kroatien und die EU erreicht. Einheimische in der Nähe von Donji Vaganac gaben ihnen Herberge und informierten die örtliche Polizei. Eine Beamtin und ein Beamter holten sie ab und versicherten, dass die Familie in ein kroatisches Flüchtlingslager gebracht würde. Stattdessen orderten sie Grenzpolizei. Die Familie wurde an die Grenze gefahren, die Polizei raubte der Frau Geld und Handy und jagte sie ins Niemandsland. Nach 5 Stunden erreichte die Familie entkräftet ein Flüchtlingslager in Bosnien.
Im Januar 2020 schenkte der deutsche Innenminister seinem kroatischen Kollegen während einer Konferenz zum Asylsystem in der EU 10 tragbare Wärmebildkameras made in Germany. „Es kommt darauf an, über Grenzen hinweg zu kooperieren“, so Seehofer.

Tag 6: Buchvorstellung ‚Violence as usual‘

Buchvorstellung: Violence as Usual – Policing and the Colonial State in German Southwest Africa

Heute möchten wir euch ein Buch vorstellen. „Violence as Usual – Policing and the Colonial State in German Southwest Africa“ von Marie Muschalek (Historikerin, Universität Freiburg) zeigt die Praxis der kolonialen „Landespolizei“ in der früheren deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) und geht der Frage nach dem Zusammenhang von Macht und Gewalt auf den Grund:

„Slaps in the face, kicks, beatings, and other forms of run-of-the-mill violence were a quotidian part of life in German Southwest Africa at the beginning of the twentieth century. Unearthing this culture of normalized violence in a settler colony, Violence as Usual uncovers the workings of a powerful state that was built in an improvised fashion by low-level state representatives.

Marie A. Muschalek’s fascinating portrayal of the daily deeds of African and German men enrolled in the colonial police force called the Landespolizei is a historical anthropology of police practice and the normalization of imperial power. Replete with anecdotes of everyday experiences both of the policemen and of colonized people and settlers, Violence as Usual re-examines fundamental questions about the relationship between power and violence. Muschalek gives us a new perspective on violence beyond the solely destructive and the instrumental. She overcomes, too, the notion that modern states operate exclusively according to modes of rationalized functionality. Violence as Usual offers an unusual assessment of the history of rule in settler colonialism and an alternative to dominant narratives of an ostensibly weak colonial state.“

In diesem Video stellt die Autorin ihr Buch selber vor. Erwerben könnt Ihr es hier.

Tag 5: Ottilie Bader und die sozialistische Frauenbewegung

„… so wurden die Frauen noch besonders drangsaliert“ – Ottilie Baders Erinnerungen an polizeiliche Schikanen

1847 wird Ottilie Baader geboren. Knapp 75 Jahre später erscheinen die Lebenserinnerungen der Sozialistin und Frauenrechtlerin, die führend am Aufbau der sozialistischen Frauenbewegung beteiligt war. In ihren Lebenserinnerungen beschreibt Ottilie Baader im Kapitel „Polizeilichen Schikanen“ eindrücklich, mit welchen Repressionen Frauen der Arbeiterinnenbewegung in den 1890er Jahren zu kämpfen hatten:

„Langsam, aber stetig nahm die Bewegung unter den Frauen und Mädchen der Arbeiterklasse zu. Je größer aber die Fortschritte waren, die der Sozialismus durch unsere Arbeit machte, um so gefährlicher erschien er den herrschenden Klassen. Die Behörden suchten uns mit allen Mitteln, die ihnen zu Gebote standen, zu hemmen. Es gibt wenige unter den Frauen, die in den neunziger Jahren als Rednerinnen auftraten, die nicht auf die Anklagebank gezerrt wurden. Erinnert sei an die Prozesse, in die Agnes Wabnitz verwickelt wurde. Ihre Kraft ist schließlich an den Strafen und Verfolgungen zerbrochen. Auf dem Märzfriedhof im Friedrichshain hat sie ihrem Leben ein Ende gemacht.

Nicht immer verlief die Sache so tragisch. Andere Genossinnen bestanden die Strafen und kehrten »ungebessert« in die preußisch-deutsche Freiheit zurück. Im Dezember 1893 hatte ich in Reinickendorf einen Vortrag über den eben mit einem Siege der Arbeiterschaft beendeten englischen Kohlenarbeiterstreik gehalten. Ich erhielt eine Anklage und wurde zu 100 Mark Geldstrafe verurteilt, weil ich nach Angabe des überwachenden Beamten zur Gewaltanwendung aufgefordert habe. In der Urteilsbegründung heißt es:

»Die Angeklagte mag wohl ›geistige Waffen‹ gemeint und bei denjenigen ihrer Zuhörer, welche ihr folgen konnten, eine gleiche Auffassung erzeugt haben, aber die große Menge der Zuhörer steht auf dem gleichen Bildungsniveau wie der Gendarm, bei welchem sie die andere Auffassung hervorgehoben hat.«

Immer schärfer ging man gegen die Frauen vor. Waren schon die allgemeinen Bestimmungen für die Arbeiterbewegung schlimm genug, so wurden die Frauen noch besonders drangsaliert. Jeder und jede, die in öffentlichen Versammlungen oder in Vereinsversammlungen, sei es auch nur in der Diskussion, das Wort ergriff, mußte dem überwachenden Beamten Namen und Adresse mitteilen. Von den Vereinen wurde ein Mitgliederverzeichnis verlangt, das immer wieder ergänzt werden mußte. Die Polizei bestimmte, ob der Saal gefüllt sei usw. Vom Vorstand des Sozialdemokratischen Volksvereins in Elberfeld verlangte die Polizei ein Verzeichnis der Mitglieder mit ausgeschriebenen Vornamen, weil sonst die Geschlechtseigenschaft nicht zu unterscheiden sei. Die Frauen sollten vor dem sozialistischen Gift bewahrt werden.“ 

(Baader: Lebenserinnerungen, S. 42-44, Text gekürzt)

Zum Weiterlesen:

Baader, Ottilie: Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen einer Sozialistin. Einleitung von Marie Juchacz, 3. Auflage, Berlin, Bonn: Dietz, 1979. Erstdruck: Stuttgart (J. H. W. Dietz); Berlin (Vorwärts) 1921. Online verfügbar.

Freude, Roswitha: Ottilie Baader. Ein biographischer Beitrag zur Geschichte der deutschen proletarischen Frauenbewegung. Leipzig 1984. Online verfügbar.

Reusch, Nina / Beier de Haan, Rosmarie / Scriba, Arnulf: Die proletarische Frauenbewegung, in: Lebendiges Museum Online, Berlin (Deutsches Historisches Museum) 2016. Online verfügbar.

Kruse, Wolfgang: Sozialdemokratie zwischen Ausnahmegesetzen und Sozialreformen, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Dossier: Das Deutsche Kaiserreich, Bonn 2012. Online verfügbar.

Tag 4: Polizeigewalt und Sexarbeit

Eins vorneweg: Sexarbeit ist nicht gleich Sexarbeit. Die Arbeitsverhältnisse in der Sexarbeit umfassen ein weites Spektrum, was es herausfordernd macht, darüber zu schreiben, ohne zu beschönigen oder diskriminierend unter einen Hut zu packen.

Wie jeder andere Erwerbszweig unterliegt Sexarbeit dem Zwang zur kapitalistischen (Selbst-)Vermarktung. Im Unterschied zu vielen anderen Erwerbszweigen ist Sexarbeit dabei besonders von Kriminalisierung betroffen. Sexarbeit wird häufig verallgemeinernd in einen Kontext mit Drogenkonsum, organisierter Kriminalität, Illegalität oder Sittenwidrigkeit gesetzt. Diese Zusammenhänge werden wiederum herangezogen, um straf- oder ordnungsrechtlich in Sexarbeit einzugreifen, und bieten ein Einlasstor für Polizeigewalt. 

Hierfür einige Beispiele:

  • das Ausweisen von Sperrgebieten, in denen (zu bestimmten Zeiten) eine Ausübung von Sexarbeit verboten ist, was gleichzeitig eine polizeiliche Kontrolle der Einhaltung der Sperrgebietsverordnung rechtfertigt.
  • die Einführung des sog. ProstituiertenSchutzgesetzes 2017. Dies erfordert eine Anmeldung bei einer Behörde, d. h. eine Registrierung von Sexarbeitenden. Dazu der Berufsverband BesD: „Viele werden in die Illegalität getrieben, da sie sich aus Angst vor einem Outing nicht registrieren wollen, oder dies wegen fehlender Arbeitserlaubnis nicht können.“
  • das Durchführen von Razzien, da im Zusammenhang mit Sexarbeit Delikte wie organisierte Kriminalität, Drogenkriminalität oder Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht angenommen werden.

Dazu die Beratungsstelle Hydra: „Statt Sexarbeitende zu drangsalieren müssen endlich Maßnahmen ergriffen werden, um die Not illegalisierter Kolleg*innen zu lindern, die durch die Raster von Grundsicherung oder Arbeitslosengeld fallen, weil sie über keine Meldeadresse verfügen, oder schlicht nicht nach ProstituiertenSchutzGesetz registriert sind. Außerdem muss das Handeln der Polizei dringend reflektiert werden. Profiling und Targeting von Sexarbeitenden dürfen nicht zur Methode werden.“ Und weiter: „Wir brauchen und fordern Solidarität und Unterstützung für alle Sexarbeiter*innen, welche durch bestehende Gesetze und sozialer Ausgrenzung ihrer Rechte beraubt werden. Sexarbeitende Menschen sind weder passive Opfer noch Gesundheitsrisiken. Wir sind Menschen und so muss man uns auch behandeln.“ – Dem können wir nichts mehr hinzufügen.

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